Die Dreckschleuder
Die Ramstein Air Base bedroht nicht nur den Frieden, sondern auch die Umwelt.
Durch die seit 2018 neu entstandenen Umweltbewegungen rückten die Themen
Umweltverschmutzung, Umweltzerstörung und Klimawandel verstärkt in das
öffentliche Bewusstsein. Auffällig dabei ist, dass der Fokus seitdem verstärkt
auf zivilen Umwelteinflüssen liegt. Die Rolle des Militärs und des Friedens in
Bezug auf Umweltschutz und Arterhaltung finden hingegen kaum Beachtung.
Dabei liegen Militäreinrichtungen wie die Air Base in Ramstein genau vor unse-
rer Haustür. Von hier aus werden nicht nur fremde Ökosysteme durch Bomben
und Raketen zerstört; auch die lokale Umwelt und Bevölkerung sieht sich einem
gesundheitsschädlichen Cocktail aus Lärm, Verbrennungsgasen, Feinstaub,
Chemikalien und Schwermetallen ausgesetzt. Die vorgebrachten Fakten der
protestierenden lokalen Bevölkerung wehren Politik und Behörden mit geschick-
ten Methoden der Meinungsmache und der Aufstandsbekämpfung ab. Ihre
Geheimwaffe dabei: fehlende und lückenhafte Felduntersuchungen.
„Wir bilden Zukunft“
Das ist einer der kurzen, aber prägnanten Slogans der Fridays-for-Future-
Bewegung. Inspiriert durch die mittlerweile allseits bekannte Greta Thunberg,
repräsentiert Fridays for Future ein neues weltweites Umweltbewusstsein.
Auch in Deutschland protestierten bis vor Corona eine Vielzahl von Schülern
und Studenten regelmäßig für Veränderungen in der zivilen Klima- und Umwelt-
politik. Nach einer kurzen Analyse der offiziellen deutschen Fridays-for-Future-
Internetseite stellt sich jedoch heraus, dass — trotz steigender Militärausgaben
und weltweiter Konflikte — das Militär und dessen Umwelteinflüsse keine Rolle
spielen. Dabei ist doch die verinnerlichte, deutsche Forderung „Nie wieder
Krieg“ eine signifikante Voraussetzung, um überhaupt eine sichere Zukunft
zu haben, in der nachhaltiger Umweltschutz überhaupt möglich ist.
Die in den Medien präsentierten menschlichen Toten und Verletzten nach
einem schweren militärischen Angriff sind allseits bekannt. Ausgeblendet
werden jedoch meist die dramatische Zerstörung und Verseuchung der lokalen
Umwelt. Hierbei leiden Böden und Binnengewässer unter anderem unter den
giftigen Rückständen bleihaltiger, nuklearer und chemischer Munition; dem
Einsatz von schwerem Gerät und den zahlreichen Kratern durch Bomben und
Raketen. Die Tier- und Pflanzenwelt leidet unter den Kollateralschäden militä-
rischer Angriffe, der Zerstörung ihrer Lebensräume und der Bedrohung durch
eingeschleppte, fremde Arten.
Aber auch in den Meeren sorgen Sonar, Schiffswracks und entsorgter militä-
rischer Giftmüll für Probleme. Es sollte für sich selbst sprechen, dass dies über
kurz oder lang wiederum Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat.
Nur in ganz seltenen Fällen sind militärische Konflikte ein Segen für die Natur.
Nämlich dann, wenn durch die Errichtung von Sperrzonen oder die extreme
Verseuchung keine zivilen oder kommerziellen Handlungen erlauben oder
möglich sind. Beispiel dafür sind die Sperrzone entlang der Grenze zwischen
Süd- und Nordkorea sowie die Marshallinseln.
Neben der schwachen Medienpräsenz militärischer Umweltzerstörung können
auch das junge Alter und die — zum Glück — fehlenden Kriegserfahrungen der
Fridays-for-Future-Anhänger als verteidigende Argumente für die Nichtbeach-
tung militärischer Umwelteinflüsse herhalten.
Dennoch sollten sich die Schüler und Studenten bewusst
machen, dass die Einflüsse des Militärs sich nicht nur
auf kriegerische Konflikte beschränken.
Auch in Friedenszeiten sind die lokale Umwelt und somit auch die Menschen
— sprich also die jungen Anhänger selbst — den Umwelteinflüssen des Militärs
ausgesetzt. Die deutlichsten militärischen Repräsentanten in Friedenszeiten
sind Militärstützpunkte. Als Militärstützpunkt definiert sich ein abgesperrtes
und ausschließlich für militärische Zwecke und Personal bestimmtes Gebiet,
das militärische Ausrüstung und Trainingseinrichtungen zur Simulation und zur
Unterstützung militärischer Operationen vorhält.
Lage und Bedeutung der Ramstein
Air Base
Der größte Militärstützpunkt in Deutschland ist die US-Air-Base in Ramstein, die
den Fridays-for-Future-Anhänger durch den YouTubers Rezo bekannt sein dürfte.
Seit 1952 gilt die Air Base als das Herz der Kaiserslautern Military Community
(KMC) — mit mehr als 50.000 Angehörigen auch bekannt als „die größte
Konzentration von Amerikanern außerhalb der Vereinigten Staaten“.
International gesehen ist die Ramstein Air Base ein zentraler Standort für das
Pentagon. Neben dem Hauptquartier der U.S. Air Forces Europe and Africa
(USAFE/AFARICA) befinden sich hier das Hauptquartier der Third Air Force und
des Allied Air Command (AIRCOM) der NATO. Zudem dient Ramstein als zentra-
les Luftdrehkreuz für US- und NATO-Operationen in Europa, Afrika und dem
Mittleren Osten. Ausrüstungen, Truppen und mutmaßliche Terroristen wurden
und werden hierüber transportiert. Schwerverletzte Soldaten aus Krisenge-
bieten finden im benachbarten US-Krankenhaus in Landstuhl Erste Hilfe, bevor
sie in die USA zurücktransportiert werden.
Darüber hinaus beherbergt Ramstein die für den US-Drohnenkrieg wichtige
Relaisstation, die das vom Counterterrorism Airborn Analysis Center in Nevada
kommende Signal in Länder wie Afghanistan oder Somalia weiterleitet. Diese
Beteiligung Ramsteins führt regelmäßig zu Demonstrationen und politischen
Diskussionen. Trotz aller Proteste hält die Bundesregierung am uneinge-
schränkten Bündnis mit den USA fest und weicht kritischen Fragen bezüglich
der Air Base Ramstein gekonnt aus.
Für die Region Kaiserslautern ist die Air Base ein umstrittener, aber wichtiger
ökonomischer Faktor. Das stationierte Militärpersonal steckt fast 40 Prozent
seines Einkommens in die lokale Wirtschaft. Laut wissenschaftlichem Dienst
der Bundesregierung, waren das über 2,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2013. Ein
Betrag, den Städte und Gemeinden verständlicherweise nicht missen möchten.
So wie die meisten Militärstützpunkte ist die Ramstein Air Base ein für Zivilisten
abgeriegeltes Gebiet. Insgesamt umfasst der Stützpunkt, nach eigenen Anga-
ben 1.600 Hektar Land, inklusive 19 Hektar Feucht- und 407 Hektar Waldgebiet.
Das Waldgebiet befindet sich im Nordosten der Base und diente ursprünglich
als Munitions- und Ausrüstungsdepot. Dieses Gebiet erstreckt sich teilweise
über das Wasser- und Naturschutzgebiet Rodenbacher Bruch.
Hier hat sich in den vergangenen 60 Jahren eine reiche Biodiversität mit selte-
nen Tieren, wie Wildkatzen, Fledermäusen und Amphibien, entwickelt. Außer-
dem zählt es zur europaweiten Wanderroute der Wildkatzen. Dass diese Viel-
falt erhalten bleibt, dafür sorgt neben BUND und NABU offiziell auch die Air
Base selbst. Ihr Natural Resources Program umfasst unter anderem: den Schutz
der lokalen Ökosysteme vor fremden Arten, die Reduzierung von Kollisionen
zwischen Flugzeugen und Vögeln durch den Einsatz eines Falkners und die
Reduzierung des stützpunktinternen Wasser- und Energieverbrauchs. Auffällig
an diesem Programm ist, dass sich die Maßnahmen hauptsächlich an die Air
Base und deren Personal richten, anstatt an die lokale Umwelt hinter dem
Sicherheitszaun.
Im Allgemeinen kann die Lage der Air Base als
ökologisch äußerst bedenklich angesehen werden.
Neben dem angesprochenen Wasser- und Naturschutzgebiet durchqueren
zusätzlich sieben kleine Bäche das Gelände, wodurch die Air Base einen signifi-
kanten Einfluss auf die lokale Wasserqualität haben kann. An das Gelände
grenzen mit den Östlichen Pfälzer Moorniederungen und dem Moorwiesen-
Ringgasser Bruch zudem zwei weitere Naturschutzgebiete. In einem Umkreis
von zehn Kilometern beeinträchtigt die Air Base insgesamt sieben Naturschutz-
gebiete, fünf Landschaftsschutzgebiete und acht Wasserschutzgebiete. Darun-
ter auch den Pfälzer Wald als Teil des UNESCO-Biosphärenreservats Vogsges du
Nord/Pfälzer Wald.
Lokale Umwelteinflüsse der
Ramstein Air Base
Ein neues Krankenhaus
Nichtsdestotrotz, seit Militärstützpunkte nicht primär dem Umweltschutz die-
nen, haben sich die Offiziellen der Air Base dafür entschieden, einen Teil dieses
Gebietes zu roden, um ein neues Militärkrankenhaus zu bauen. Dieses soll mit
mehr als 5.000 Zimmern das größte amerikanische Militärkrankenhaus außer-
halb der USA werden. Hierfür musste circa 50 Hektar Wald abgeholzt und circa
22 Hektar Boden versiegelt werden. Der Bau sowie der Betrieb dieses Kranken-
haus werden, laut BUND Rheinland-Pfalz, schwerwiegende Folgen haben
(1)
.
Während manche Tierarten, wie Ameisen, umgesiedelt werden können,
zerstören Waldrodung, Erdbewegungen und der Einsatz schwerer Maschinen
den Lebensraum und die Brutplätze von Füchsen, Wildkatzen und mehr als 65
Vogelarten.
Die massiven Erdbewegungen sowie die teils zehn bis zwölf Meter tiefen
Fundamente verändern zudem die Bodenbeschaffenheit und den Grundwas-
serfluss, was zur Austrocknung angrenzender Feuchtgebiete führen kann.
Hinzu kommt die risikobehaftete Beseitigung von 200 kontaminierten Bunkern.
In dem Gebiet sind bereits drei Stellen irreparabel durch Treibstoffe, Schwer-
metalle und anderer krebserregender Stoffe verseucht. Nach Inbetriebnahme
wird, aufgrund einer Zunahme von Lärm, Bewegungen und anderen optischen
Stimuli, auch mit einer erschwerten Wiederansiedlung vertriebener Tiere
gerechnet. Außerdem rechnet der NABU mit einer Zunahme der Grundwasser-
belastung infolge der durch das erhöhte Verkehrsaufkommen entstehenden
Chemikalien und Salze sowie durch die erhöhte Abwassermenge.
Lokale Politiker betonen hingegen die Wichtigkeit des Projekts und die Investi-
tionen in den Grundwasserschutz. Der NABU kritisierte bereits zu Beginn der
Planungsphase 2011, dass potenzielle Alternativen nicht genug berücksichtigt
wurden und dass die offiziellen Behörden unter vorauseilendem Gehorsam
sogar die obligatorische Strategische Umweltprüfung ignorieren wollten. Erst
eine erfolgreiche Klage von BUND und NABU erzwang die Umweltprüfung im
Jahr 2013 und damit umwelttechnische Verbesserungen. Trotzdem, stoppen
konnte die Strategische Umweltprüfung den Bau nicht und auch eventuelle
Erweiterungen des Krankenhauses sind nicht komplett ausgeschlossen.
Fluglärm
Neben seinem Status als Sperrgebiet ist die Air Base insbesondere für ihre Flug-
manöver bekannt. Je nach Quelle werden jedes Jahr zwischen 30.000 und
60.000 Starts und Landungen registriert
(2, 3, 4)
. Neben Transport- und Testflügen
finden auch regelmäßige Übungen mit anderen regionalen Flugbasen im Luft-
raum über der Air Base statt. Laut Messungen der lokalen Bürgerinitiative
gegen Fluglärm hatten die Anwohner im Jahr 2019 am meisten mit Frachtflü-
gen und Nachtflügen unter 3.000 Meter zu kämpfen.
Diese Flüge haben natürlich auch Auswirkungen auf
die lokale Umwelt und die menschliche Gesundheit.
Das erste Problem ist Fluglärm, der seine Ursache in Flügen, Flugvorbereitungen
und Übungen mit simulierten Alarmen und Explosionen hat. Aufgrund von
Rodungen neben den Startbahnen fehlt ein natürlicher Lärmschutz. In einem
Umkreis von zehn Kilometern findet sich, laut Deutschem Fluglärmdienst,
nur die Messstation: Kaiserslautern/Einsiedlerhof. Für das Jahr 2019, lagen die
Durchschnittswerte für 24 Stunden mit 52,8 Dezibel zwar unter den offiziellen
Grenzwerten für Wohn- und Industriegebiete.
Allerdings haben die Anwohner hier regelmäßig mit Fluglärm weit über dem
maximal erlaubten Limit von 70 Dezibel zu kämpfen — teilweise auch nachts.
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) kann regelmäßiger Lärm über 60
Dezibel zu Schlafstörungen, höherer Nervosität und chronischem Stress führen.
Die potenziellen Folgen davon sind, laut WHO, kognitive und kardiovaskuläre
Beeinträchtigungen.
Im Zuge der Strategischen Umweltprüfung wurden 2013 auch die Lärmpegel
gemessen. Jedoch mittels einer Simulation. Die Ergebnisse dieser Simulation
lagen zwischen zwei und sieben Dezibel unter den Messungen der echten
Messstation 2019
(5)
. Leider existieren für das Gebiet rund um die Air Base keine
unabhängigen Felduntersuchungen zur Lärmbelastung sowie zu den Auswir-
kungen auf Mensch und Wildtiere. Ein Grund dafür könnte die blockierende
Haltung der lokalen Regierung sein.
Luftverschmutzung und Treibstoffablass
Ein weiterer Umwelteinfluss ist die Luftverschmutzung. Während der Verbren-
nung von Kerosin werden Treibhausgase und Feinstoffpartikel ausgestoßen.
Dieser Ausstoß kann je nach Flugphase und Manöver, wie Start, Landung oder
Leerlauf am Boden, unterschiedlich sein. Es dürfte bekannt sein, dass Men-
schen, die einer permanenten Belastung von Verbrennungsgasen und Fein-
stoffpartikeln ausgesetzt sind, vermehrt Probleme mit ihrem Herzkreislauf-
system, ihrem Atmungssystem und ihrem zentralen Nervensystem haben
sowie ein höheres Risiko auf Lungenkrebs.
Eine Untersuchung des hessischen Umweltamtes rund um den Frankfurter
Flughafen sieht „Flugbetrieb (als) eine bedeutende Quelle für ultrafeine Partikel
(…), die zu erhöhten Konzentrationen in der Umgebung führt“. Diese Konzen-
trationen beschränken sich nicht nur auf das Flughafengebiet, sondern können
bis in acht Kilometer Luftlinie entfernt vom Landepunkt gemessen werden.
Auf Ramstein übertragen würde das bedeuten, dass die Air Base sieben Natur-
schutzgebiete, acht Wasserschutzgebiete, drei Landschaftsschutzgebiete und
mindestens 13 Ortschaften beeinflusst. Innerhalb von zehn Kilometern fanden
bisher noch keine offiziellen Messungen rund um die Air Base statt. Die nächste
Feinstaub-Messstation befindet sich 20 Kilometer entfernt in Kaiserslautern.
Zwischen 2016 und März 2018 hat diese Anlage ganze elf Überschreitungen
der Grenzwerte festgestellt, seitdem keine mehr.
Nicht nur die Verbrennung, sondern auch das Ablassen von Flugzeugtreibstoff
sorgt in der Region für Sorgen und heftige Proteste. Der Standardtreibstoff der
NATO und der US-Air-Force ist der sogenannte JP-8 — auch bekannt als Jet A.
Dieser Treibstoff enthält ein Gemisch mehrerer krebserregender Stoffe, die sich
bei chronischem Kontakt negativ auf Lunge, Leber, Nieren sowie das Immun-
und Nervensystem auswirken können. Offizielle Daten des Luftfahrt-Bundes-
amts zeigen für das Jahr 2019 insgesamt fünf Fälle mit einer abgelassenen
Gesamtmenge von 204 Tonnen Treibstoff über der südlichen Rheinland-Pfalz.
Leider ist bei den Daten nicht immer der Grund für das Ablassen angegeben.
Normalerweise ist das Ablassen von Treibstoff eine notwendige Maßnahme im
Zuge einer Notlandung. Zudem wird in den Aufzeichnungen nicht zwischen
zivilen und militärischen Maschinen unterschieden, was eine genaue Analyse
erschwert.
Trotz dieser Erkenntnisse klassifiziert das deutsche Umweltbundesamt im Jahr
2019 in einem Positionspapier das Ablassen von Treibstoff als ungefährlich. Eine
Einschätzung, die nicht in einer Linie mit den Aussagen der Bundesregierung
aus dem Jahr 2016 steht, die Flugzeugtreibstoff als schwer abbaubar und toxi-
sche Gefahr für Menschen und Tiere klassifizierte. Daher lohnt sich ein Blick auf
die im Positionspapier angewandte Methodik.
Hier fällt direkt auf, dass es sich bei der Untersuchung um eine Modellrechnung
handelt, in der zum Beispiel der militärische JP-8-Treibstoff nicht explizit bes-
prochen wird. Zudem konzentrieren sich die Autoren des Papiers auf Messun-
gen der Luft und ignorieren dabei die Auswirkungen auf Gewässer, Grundwas-
ser und Boden. Lokale Bürgerinitiativen um Ramstein-Beobachter Wolfgang
Jung kritisieren diese simulierte Untersuchung und nennen sie eine „reine
Gefälligkeitsarbeit zur Beruhigung der zu Recht beunruhigten Bevölkerung“.
Dabei verweist Jung auf schmierige Ölfilme auf Feldern und Gartenteichen,
die sich direkt in der Einflugschneise der Air Base befinden sowie auf das myste-
riöse und unaufgeklärte Fischsterben im Japanischen Garten Kaiserslautern im
Jahr 2012. Aufgrund dessen fordern die Anwohner unabhängige, wissenschaft-
liche Felduntersuchungen der Gewässer und Böden im Hauptablassgebiet und
in der Einflugschneise der Air Base.
Die Debatten innerhalb der Politik offenbaren in dem Zusammenhang jedoch
eine klare, bürokratische Machtstruktur. Während lokale Politiker ihre Forde-
rungen nach Untersuchungen und dem Verbot von Treibstoffablass an die
Landesregierung senden, reicht diese sie zur Bundesregierung weiter. Während
hier dann auf eine Antwort gewartet wird, geht der Treibstoffablass über der
Region weiter.
Instandhaltung hat ihren Preis
Eine weitere Quelle für Umweltverschmutzung sind die Instandhaltungs- und
Vorbereitungsmaßnahmen auf der Air Base. Beispielsweise fanden bis vor
kurzem zweimal jährlich Sprinkleranlagentests in den Flugzeughangars statt.
Pro Test wurden hier 150.000 Liter Wasser, gemischt mit hochgiftigem AFFF-
Löschschaum, durch die Leitungen und das Abwassersystem gepumpt
(6, 7)
.
Dieser Löschschaum wurde zudem bei zahlreichen weiteren Brandübungen
genutzt. Erst im Jahr 2019 reagierte die Air Base hierauf. Sie verbot den unkon-
trollierten Einsatz von AFFF-Löschschaum und entfernte ihn aus 15 Feuerwehr-
wagen und 17 Hangarsystemen. Allerdings bilden Treibstoffrückstände, Entei-
sungsmittel und andere Chemikalien weiterhin Gefahren für die lokale Umwelt.
In Sachen Abwasser hat die Air Base seit 2007 erheblichen Nachholbedarf. Eine
damalige Untersuchung eines Überlaufbeckens direkt neben der Air Base,
welches sowohl mit dem Klärwerk der Air Base als auch dem öffentlichen
Mohrbach verbunden ist, zeigt ebenfalls dramatische Grenzwertüberschrei-
tungen. Beispielsweise lag der gemessene Wert für Blei 5.000-mal und für
polyzyklische Kohlenwasserstoffe zwei Millionen Mal über dem jeweilig
zulässigen Grenzwert. Im Jahr 2019 fragte NuoViso.TV diesbezüglich bei den
offiziell zuständigen Behörden nach. Nach anfänglichen Zuständigkeitsverwei-
sen erklärten die Behörden, dass es keine weiteren Untersuchungen gab und
ein Zusammenhang zwischen Air Base und Ablaufbecken nicht erkennbar sei.
Die Air Base selbst erhöhte jedoch scheinbar ihre Anstrengungen und verkün-
dete 2018, dass nun 97 Prozent der auslaufenden Chemikalien keinen Umwelt-
einfluss mehr ausüben und keine Kontaminationen außerhalb der Air Base
verursachen. Allerdings, basierend auf vertraulichen Dokumenten des US-Mili-
tärs, veröffentlicht durch eine Lokalzeitung im Jahr 2018, müssen die Zahlen
der Air Base jedoch angezweifelt werden.
Die Lokalzeitung schreibt, dass im Jahr 2014 das Grund-
wasser in Ramstein pro Liter mit 264 Mikrogram krebs-
erregenden und schwer abbaubaren Tensiden verun-
reinigt war. Das wäre über 2.000-mal höher, als der
gesetzliche Grenzwert von 0,23 Mikrogram pro Liter
erlaubt.
Obwohl die Dokumente nicht öffentlich einsehbar sind, wurden die Grenz-
wertüberschreitungen noch im Jahr 2018 durch das Umweltamt Rheinland-
Pfalz bestätigt. Während das Umweltamt gleichzeitig weitere Untersuchungen
ankündigte, investierte die Stadt Kaiserslautern im Jahr 2019 weiter in den
Ausbau ihrer Kläranlagen. In Anbetracht dessen, dass in Kürze zur Air Base
auch noch das neue Krankenhaus hinzukommt, ist dieser Schritt mehr als
notwendig.
Die letzte Ursache, die zur Boden- und Gewässerverschmutzung beiträgt, ist
die Lagerung des militärischen Materials. Auf dem Gebiet rund um das neue
Krankenhaus sind laut NABU Kaiserslautern bereits vier Hektar irreversibel mit
Substanzen — stammend aus Kerosin, Öl, Munition und Baumaterial — konta-
miniert. Wie intensiv und aufwendig eine Boden- und Grundwassersanierung
sein kann, zeigt die Sanierung des ehemaligen Treibstofflagers in dem Gebiet.
Seit 1993 wurden vier Tonnen hochgiftiger Schadstoffe entfernt, wobei diese
Arbeiten noch weiter andauern. Auch für dieses Problem hat die Air Base offi-
ziell ein Programm ins Leben gerufen, das die Verwendung giftiger Materialien
reduzieren und kontaminierte Treibstofftanks auf der Air Base entfernen soll.
Aufgrund fehlender wissenschaftlicher Felduntersuchungen gibt es auch keine
Daten über mögliche Kausalitäten zwischen den genannten Umwelteinflüssen
und Auswirkungen auf die Gesundheit und den Lebensraum lokal ansässiger
Menschen, Tiere und Pflanzen. Dabei weisen lokale Ärzte daraufhin, dass in der
Region um Rammstein die Zahl der Allergiefälle sowie der Darm- und Autoim-
munerkrankungen in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Zudem wird das
Fehlen eines Krankheitsregisters — ähnlich wie bei Krebs — kritisiert, um die
Häufigkeit der Fälle abzubilden. Es wird jedoch auch eingeräumt, dass eine
Kausalität zwischen Air Base und gesundheitlichen Folgen nur schwer zu ermit-
teln ist. Krankheiten, die sich durch Umwelteinflüsse entwickeln, treten häufig
erst nach vielen Jahren auf und können daher mehrere Ursachen haben. Die
politische und wirtschaftliche Unterstützung für das Untersuchen solcher
Umweltkrankheiten hält sich in Grenzen, da es hier oft zur Störung politischer
oder wirtschaftlicher Interessen kommt.
Fazit
Die US-Air-Base Ramstein bildet eine große Gefahr für die lokale Umwelt. Grund
dafür sind die jährlich tausendfachen Flugbewegungen, Vorbereitungs- und
Instandhaltungsmaßnahmen. Diese setzen die lokale Umwelt und Bevölkerung
einem regelmäßigen Cocktail aus Lärm, Verbrennungsgasen, Feinstaub, Chemi-
kalien und Schwermetallen aus. Die nachweisliche Verschmutzung von Luft,
Böden, Gewässern und Grundwasser ist eine lebensbedrohliche Gefahr und
wird mit einer Vielzahl von Krankheiten in Verbindung gebracht.
Leider werden die Zusammenhänge zwischen Umwelt-
verschmutzung und gesundheitlichen Folgen von einem
Nebel fehlender oder unzureichender Untersuchungen
verdeckt.
Eine beliebte Strategie innerhalb des von Rainer Mausfeld beschriebenen Mei-
nungs- und Aufstandsmanagements
(8)
. Das Verschleiern, Fragmentieren und
Re-Kontextualisieren von Fakten durch Untersuchungen — wie zum Beispiel
die oben beschriebene zum Thema Treibstoffablass — sind dabei sehr beliebt.
Zudem trägt auch die Verhinderung von Untersuchungen oder Datenbanken
ihren Teil zum Meinungsmanagement bei. Durch die fehlenden, wissenschaft-
lichen Beweise können Befürworter der Air Base die Fakten der Gegner als
Meinungen darstellen. Hierdurch verlieren die Fakten automatisch an Wert
und für die Air-Base-Gegner öffnet sich ein Teufelskreis.
Die zwei offensichtlichsten Erklärungen für diese umweltschädliche Strategie
sind die geostrategische Wichtigkeit der Air Base und die wirtschaftliche Ab-
hängigkeit der Region Kaiserslautern. Dieser Fokus auf kurzfristige, ökono-
mische Vorteile blockiert innovative Entwicklungen, die die Region vom Militär
unabhängig machen könnten. Ideen und Konzepte für die Umgestaltung der
Air Base liegen bereits vor. Diese enthalten unter anderem einen Mix aus Natur-
schutzgebiet, Tourismusgebiet, Friedensforschungszentrum und nachhaltigem
Industriepark. Inwieweit diese Alternativen umsetzbar sind und in welchem
Umfang sie den ökonomischen Einfluss des gegenwärtigen Militärs kompen-
sieren können, ist diskutabel und sollte weiter untersucht werden.
Für die Zukunft müssen sich die neue Umweltbewegung und die Friedensbe-
wegung gegen die schädlichen Einflüsse der Air Base Ramstein und anderer
Militäreinrichtungen auf lokale und fremde Ökosysteme zusammenschließen.
Dabei sollte die schiere Masse an jungen und erfahrenen Aktivisten nicht nur
zur Kommunikation der negativen Aspekte genutzt werden. Auch die umfang-
reiche Kreativität Tausender junger Menschen, gepaart mit den Erfahrungen
alter Friedensaktivisten, sollte genutzt werden, um Alternativen zum Militär zu
finden — Alternativen, die zugeschnitten sind auf die Bedürfnisse der zukünf-
tigen Generationen und die eine friedlich-gesunde Zukunft überhaupt ermö-
glichen.
Flugzeugfracht
Datum 20.06.2020
von Thomas Triebel
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with the Movement of Military Equipment and
Personnel, US Army Corps of Engineers
(1) Vergleiche Neumann, Harry, 2013, Stellungnahme
des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(Bund) Landesverband Rheinland-Pfalz e. V. als
anerkannter Naturschutzverband i. S. der § 3 Absatz 3
Umwelt- Rechtsbehelfsgesetz und § 63 Absatz 2
Bundesnaturschutzgesetz. Mainz: BUND Rheinland-
Pfalz.
(5) Vergleiche Landesbetrieb Liegenschafts- und
Baubetreuung (LBB) und L.A.U.B-Ingenieur GmbH.,
2013, Rhine Ordnance Barracks Kaiserslauter Neubau
US Klinikum Weilerbach. UVS-Dokumentation.
Landstuhl: Landesbetrieb Liegenschafts- und
Baubetreuung.
(8) Vergleiche Mausfeld, Rainer, 2019, Warum
schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und
Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere
Lebensgrundlagen zerstören. Frankfurt/Main:
Westend.
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