Wasser
Durch unzureichenden Zugang und Qualität wird Wasser
zum Machtinstrument und ein Schlüssel internationaler
und regionaler Stabilität.
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Grundlagen zur
Klimakrise
1. Süßwasser
2,2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu
Trinkwasser. 4,2 Milliarden Menschen, also mehr als
55 Prozent der Weltbevölkerung, haben außerdem
keinen Zugang zu sauberen Sanitäranlagen. Rund
785 Millionen Menschen haben noch nicht einmal
eine Grundversorgung mit Trinkwasser. Betroffen
sind vor allem Menschen oder Familien in den ärme-
ren Regionen der Welt – und dort vor allem in den
ländlichen Gebieten.
Der weltweite Wasserverbrauch ist nach UN-Anga-
ben heute sechs Mal so hoch wie noch vor 100
Jahren. Bevölkerungswachstum, Wirtschaftswachs-
tum und veränderte Konsumgewohnheiten führen
dazu, dass der Wasserverbrauch weiter jedes Jahr
um etwa ein Prozent steigt.
In ihrem Bericht weisen die UN-Experten darauf hin,
bis zu 90 Prozent aller Abwässer weltweit unbehan-
delt abgelassen werden und Umwelt und Trinkwas-
servorräte belasten.
Der Klimawandel verschärfe diese ohnehin schon
prekäre Lage drastisch, weil er zu weniger Wasser
und schlechterer Wasserqualität führt. Insbeson-
dere der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist für
Milliarden Menschen weltweit gefährdet, wie die
Vereinten Nationen (UN) in ihrem neuen Weltwas-
serbericht deutlich machen.
Dabei sind mehr als zwei Drittel der Erde von
Wasser bedeckt, aber nur 2 bis 3 Prozent davon sind
Süßwasser und nur 0,3 Prozent davon trinkbar. Der
überwiegende Teil der 3 % davon entfällt auf das
Polkappen-Eis, das nicht zur freien Verfügung steht.
Trinkwasser ist sehr ungleich verteilt. Besonders in
Afrika, Lateinamerika und Asien herrscht vielerorts
dramatische Wasserknappheit. Schätzungsweise
3,6 Milliarden Menschen leben heute in Gebieten,
die mindestens einen Monat pro Jahr extrem was-
serarm sind. Die Menschheit wächst nach UN-Prog-
nosen von derzeit rund 7 Mrd. auf 8,9 Mrd. im Jahre
2050. Sie alle müssen mit Trinkwasser versorgt
werden.
Noch immer gehören der Mangel an sauberem
Wasser und Hygiene zu den häufigsten Todesursa-
chen bei Kindern unter fünf Jahren. Jeden Tag ster-
ben mehr als 800 Kinder an vermeidbaren Krank-
heiten wie etwa Durchfall, die durch verunreinigtes
Wasser oder mangelnde Hygiene hervorgerufen
wurden.
Im 20. Jahrhundert wurden Kriege um Erdöl ge-
führt, im 21. Jahrhundert werden uns Kriege ums
Wasser drohen.
Die Wasserknappheit machen sich multinationale
Konzerne wie Nestlé, Danone, Coca-Cola und Pepsi
zu nutze. Sie beherrschen die globalen Trinkwasser-
märkte, angefangen bei der Produktion der nötigen
Anlagen für die Wasserproduktion über Abfüllanla-
gen für Flaschenwasser bis hin zu privaten Wasser-
versorgern und Großhändlern.
Weltweit werden jährlich mehr als 200 Milliarden
Liter Wasser von den Konzernen in Flaschen
abgefüllt.
Auch Anbieter von Finanzprodukten mit Spezial-
fonds für Wasser machen das Thema Wasser zu
einem unanständigen Geschäft. Sie ermöglichen
Anlegern, von der immer weiter steigenden Nach-
frage nach hochwertigem Trink- und Prozesswasser
zu profitieren.
Inzwischen ist Wasser in Plastikflaschen genauso
teuer wie Limonade.
Das führt dazu, dass Wasser von einem Menschen-
recht zu einem Handelsgut geworden ist.
Der Nestlé-Verwaltungsratschef Peter Brabeck
macht kein Geheimnis daraus, dass Wasser in seinen
Augen kein öffentliches Gut sein sollte, sondern
auch einen Marktwert wie jedes andere Lebens-
mittel benötige. Nestlé hat 73 Wassermarken und
erwarb in Algerien und Pakistan Wassernutzungs-
rechte und lässt die Fabriken bewachen und einzäu-
nen. In diesen Ländern wird das Wasser angezapft
und für viel Geld in Plastikflaschen verkauft, wäh-
rend die Bevölkerung vom Zugang abgeschnitten
wird.
Vier multinationale Konzerne dominieren das
Wassergeschäft. Nestlé (z. B. Vittel, Pure Life) und
Danone (z. B. Evian) betreiben ihre Geschäfte in
Europa, USA, Asien und Lateinamerika. Coca-Cola
(z. B.Apollinaris, Dasani, Vitamin Water) und Pepsi
(z. B. Aquafina) besitzen besonders in den USA und
Afrika hohe Marktanteile und bemühen sich, auf
den internationalen Märkten zu Nestlé und Danone
aufzuschließen.
Regierungen müssen handeln und das
Menschenrecht auf Wasser durchsetzen.
Die meisten Menschen können sich kein
Wasser kaufen.
Der Klimawandel wird in vielen Regionen der Welt
bestehende Wasserknappheit verschärfen, die
Wasserqualität beeinträchtigen oder die Häufigkeit,
Dauer und Intensität von Hochwasserereignissen
und Dürreperioden erhöhen.
Die Vulnerabilität der Entwicklungsländer gegen-
über der Wasserknappheit und der den
Auswirkungen des Klimawandels ist besonders
hoch, weil die Klimaeffekte in vielen
Entwicklungsländern besonders stark ausgeprägt
sein werden und die notwendigen institutionellen
und finanziellen Ressourcen für die Anpassung nicht
zur Verfügung stehen. Diese Veränderungen im
Wasserhaushalt haben daher Auswirkungen auf so-
ziale und ökonomische Entwicklungen und können
zu starken Konflikten zwischen verschiedenen
Wassernutzern führen.
Weitere Faktoren für den Wassernotstand sind
Bevölkerungswachstum und die steigende Urbani-
sierung sowie die wachsende globale Mittelschicht
mit steigenden Ansprüchen. So steigt der Konsum
von Fleisch und Milchprodukten und der Verbrauch
von Nahrungsmitteln. Das führt zu einem steigen-
den Flächenbedarf mit entsprechend hohem
Wasserbedarf für die industrielle Landwirtschaft in
Entwicklungsländern. (UNESCO 2015). Der größte
Wasserverbraucher ist die Landwirtschaft die welt-
weit etwa 70 Prozent des genutzten Frischwassers
verbraucht. Besonders viel Wasser wird für die
Produktion von Fleisch aufgewandt. Für die
Produktion von einem Kilogramm Rindfleisch in
Mastbetrieben werden 15.500 Liter Wasser (in
Lebensmittel enthaltenes Wasser) verbraucht.
Für ein Kilogramm Schweinefleisch werden 4.800
Liter Wasser benötigt und für ein Kilogramm
Hühnerfleisch 3.900 Liter. In der ökologischen
Landwirtschaft ist die Fleischproduktion allein
wegen der überwiegend geschlossenen Rohstoff-
kreisläufe deutlich wasserschonender.
Rund die Hälfte des deutschen Wasserbedarfs wird
über Produkte importiert. Damit importiert
Deutschland, obwohl es in einer wasserreichen
Region der Erde liegt, jedes Jahr 79,5 Milliarden
Kubikmeter Wasser ein.
Umgerechnet auf die Einwohnerzahl hat
damit jeder Deutsche einen täglichen
Wasser-Fußabdruck von 5.288 Litern, das
entspricht etwa 25 Badewannenfüllungen.
Weniger als zehn Prozent der Wassermenge welt-
weit werden von Privathaushalten und Betrieben
im kommunalen Bereich genutzt. (UNeSCO 2015)
Wasserkrisen wurden 2016 vom Weltwirtschafts-
forum als eines der größten Risiken für Menschen
und Wirtschaft weltweit eingestuft (WeF 2016).
Die Auswirkungen des Klimawandelswerden diese
Situation in Zukunft noch um ein Vielfaches ver-
schärfen. Wissenschaftler/innen warnen seit
Jahren davor, dass ein ungebremster Klimawandel
die Welt ins Chaos führen wird. Eines die betroffe-
nen Gebiete ist der Nahe Osten.
2. Wasser als
Machtinstrument
Hier zeigt sich, dass neben Wasserknappheit auch
die Kontrolle über die Wasserressourcen als
Machtinstrument dient und schwelende Konflikte
anheizt. Dies lässt sich beispielsweise in Israel und
Palästina beobachten. Der Zugang zu den Wasser-
ressourcen ist extrem ungleich verteilt. In Teilen der
Westbank verbrauchen israelische Siedler 20 Mal
mehr Wasser als die palästinensischen Gemeinden
in ihrer Nachbarschaft, die mit 20 Litern pro Tag und
Person überleben müssen. Israel zerstört auch sys-
tematisch Zisternen und Regenauffangbehälter in
palästinensischen Gebieten. Durch den Wasserman-
gel ist die Bevölkerung gezwungen Wasser teuer zu
kaufen und kann kaum noch Landwirtschaft betrei-
ben (UN 2012 | Amnesty International).
Die Türkei verfolgt wasserpolitische Interessen und
nutzt ihr Wasser als strategische Ressource, um
an politischen Einfluss in der Region des Mittleren
Osten zu gewinnen. Sie ist im Besitz zahlreicher
Seen und Flüsse und ist das wasserreichste Land
im Mittleren Osten. Die beiden Flüsse Euphrat und
Tigris gehören hierbei zu den wasserreichsten und
somit zu den bedeutendsten Flüssen der Region,
deren Ursprungsquellen in den Bergen Südostana-
toliens liegen und 28 % des Oberflächenwassers der
Türkei ausmachen. Die Länder Irak und Syrien sind
von dem Oberflächenwasser aus Euphrat und Tigris
im besonderen Maße abhängig, da nahezu die ge-
samte Landwirtschaft und somit auch die Bevölke-
rung von diesem Wasser abhängig ist. Seit der
türkischen Invasion im Oktober 2019 scheidet die
Türkei die syrische Bevölkerung von einer ausrei-
chenden Wasserversorgung ab.
Zugang und Kontrolle über Wasserressourcen
spielt weltweit in vielen gewaltsamen Konflikten
eine wachsende Rolle. Seit den 1990er Jahren hat
die Zahl der Konflikte, in denen unterschiedliche
Akteure um die Nutzung des verfügbaren Wassers
konkurrieren, deutlich gestiegen.
3. Wassermanagement
dringend benötigt
Um diesen Bedrohungen zu begegnen, schlägt der
Weltwasserbericht UNESCO zwei sich ergänzende
Strategien vor:
•
Einerseits die Anpassung der Wassernutzung an
den Klimawandel,
•
andererseits Klimaschutz durch nachhaltiges
Wassermanagement.
Anpassung der Wassernutzung kann Schäden in-
folge des Klimawandels mildern. Möglichkeiten der
Anpassung bestehen in allen Sektoren, die Wasser
nutzen. Auch innovative Technologien werden noch
zu selten eingesetzt. Ebenso ist Klimaschutz durch
die Reduzierung von Treibhausgasen in allen was-
sernutzenden Bereichen möglich, wird allerdings
bisher meist übersehen. Unnötigen Wasserver-
brauch und Wasserverluste zu senken, führt bereits
zu geringerem Energieverbrauch und damit zu we-
niger Emissionen.
Die verbesserte Aufbereitung von Abwasser bietet
weitere Chancen für den Klimaschutz, da unbehan-
deltes Abwasser eine wesentliche Quelle von
Treibhausgasen ist. Die Abwasseraufbereitung
selbst trägt mit 3 bis 7 Prozent zu den weltweiten
Treibhausgas-Emissionen bei, durch die Energie für
die entsprechenden Anlagen und durch biochemi-
sche Prozesse. Energie-Einsparungen sind hier
unbedingt nötig. Zugleich ist die Nutzung der Ab-
wasseraufbereitung als Energiequelle möglich. In
wasserarmen Regionen von Jordanien, Mexiko oder
Peru wird diese Form der Energiegewinnung bereits
heute genutzt. So werden tausende Tonnen von
CO
2
eingespart und Energie wird zudem günstiger.
Großes Potenzial bieten Wasserwiederverwendung
und -aufbereitung. Brauchwasser ist für zahlreiche
Nutzungsformen eine zuverlässige Alternative,
weil Trinkwasserqualität für Landwirtschaft und
Industrie häufig gar nicht notwendig ist.
Auch die Renaturierung und der Erhalt von Feucht-
gebieten sind wichtige Beiträge zum Klimaschutz.
Sie sind die Land-Ökosysteme mit den größten
gebundenen Kohlenstoffbeständen und speichern
doppelt so viel Kohlenstoff wie Wälder. Positive
Nebeneffekte sind zudem Hochwasserschutz,
Minderung der Auswirkungen von Dürren, Wasser-
reinigung und Erhalt der biologischen Vielfalt.
Die Autoren des Weltwasserberichts kritisieren,
dass Wassermanagement, Wasserverfügbarkeit
und Sanitärversorgung unterfinanziert sind. Sie
rufen dazu auf, Wasser- und Klimaschutz so mitein-
ander zu verbinden, dass Investitionen in wasserbe-
zogene Bereiche für Investoren attraktiv werden.
Die Anpassung der Wassernutzung an den Klima-
wandel und nachhaltiges Wassermanagement zum
Klimaschutz integriert anzugehen, schafft Win-Win-
Situationen und trägt zum Erreichen der globalen
Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 bei, so die
Schlussfolgerung der Autoren des Weltwasser-
berichts.
Politische Regeln und nachhaltiges Wassermanage-
ment kann dem Klimawandel positiv entgegenwir-
ken. Abwasseraufbereitung kann Treibhausgase
reduzieren und zur Energiegewinnung genutzt wer-
den. Wasser effizienter zu nutzen und Verschwen-
dung zu vermeiden und die Landwirtschaft an die
Doppelherausfor-derung Wasser- und Klimakrise
anzupassen sind überlebenswichtige Maßnahmen.
4. Quellen
UNESCO, „UN-Weltwasserbericht 2020: Wasser
und Klimawandel“
UNESCO, „UN-Weltwasserbericht 2019“
UNESCO, „Weltwasserbericht der Vereinten
Nationen 2019 - Niemanden zurücklassen“
Telepolis, „Türkei: Wasser als Waffe“
World Resources Institute, „Ranking the World’s
Most Water-Stressed Countries in 2040“
Amnesty International, „Durst nach Gerechtigkeit.
Der Eingeschränkte Zugang der
Palästinensischen Bevölkerung zum Wasser“
Unser Planet, „Nestlé: “Wasser ist kein
Menschenrecht”“
Unser Planet, „Die Dritte Welt wird zur Ader
gelassen – Die Wassergeschäfte der Firma
Nestlé“
Netzfrauen, „Trinkwasser: Nestlé, Danone, Coca-
Cola und Pepsi – Multinationale Konzerne
beherrschen Weltmarkt“
UNICEF, „Weltwassertag 2020: 10 Fakten über
Wasser“
Oxfam, „Wasserkrisen durch Klimawandel“
WWF, „Deutschland verbraucht dreimal jährlich
den Bodensee“
Abbildung: Indigene junge Mädchen, die frisches Wasser in Bamako, Mali tragen
Abbildung: Die Nutzung der Abwasseraufbereitung ist als Energiequelle möglich.
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In der Meatu Regione von Simiyu, Tanzania (Afrika) wird Wasser oft
über Löcher, die in trockene Flussbetten gegraben werden,
gewonnen. Diese Aufgabe wird meist durch Mädchen übernommen,
weswegen sie keine Schulbildung erhalten.
Quelle: Lack of safe water and sanitation in schools affects children’s
learning – and their lives, Unicef, Foto von Bob Metcalf - ,Wikipedia,
Gemeinfrei, Wikimedia
Quelle: PBL Netherlands Environmental Assessment Agency (2014, fig.
2.6, p. 21). Attribution 3.0 Unported (CC BY 3.0), UNESCO, „UN-
Weltwasserbericht 2020: Wasser und Klimawandel“
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Abbildung: Deutschlands Wasser-Fußabdruck, Quelle: WWF,
Der Wasser-Fußabdruck Deutschlands
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