Ökonomie
Digitalisierung verstärkt die Monopolisierung zu Lasten der Verbraucher,
Arbeitnehmer und des Mittelstands.
Empfehlen:
Social Media kann süchtig und krank machen
Das Wichtigste in Kürze
Digitalisierung bedeutet in der Ökonomie:
•
„Rund-um-die Uhr“-Produktivität
•
Unternehmensgewinne ohne Wertschöpfung allein durch Wegfall von Arbeitsplätzen
•
Abnahme der gesamtgesellschaftlichen Produktivität
•
Umfassende Dominanz durch die marktbeherrschende Position von USA und China
•
Abschmelzen der Mittelschicht durch den Abbau klassischer 8-Stunden-Jobs und
den Aufbau einer neuen, scheinselbständige „Gig-Ökonomie“
1. Rund um die Uhr verfügbar
Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Faktor der Globalisierung. Sie hat zu
einer Verlagerung von Arbeitsplätzen und Produktionsstandorten und zu einer
„Rund-um-die-Uhr“-Produktivität geführt. Diese Produktivität eröffnet vielfältige
Möglichkeiten und hat zum Beispiel in der Finanzwelt zum umstrittenen Hoch-
frequenzhandel geführt.
Die veränderte Wirtschaftsweise führt zu Unternehmensgewinnen, die ohne
gesamtwirtschaftliches Wachstum steigen. Die Gewinne entstehen durch die
Verbilligung der Investitionsgüter, indem die Arbeitskraft durch digitale Tech-
nologie ersetzt wird.
2. Lohnquoten und
Karriereaussichten sinken
So wurde die Lohnquote seit Mitte der 1980er Jahre kontinuierlich gesenkt.
Bis in die 1970er Jahre blieb die Quote von 70 % Lohneinkommen zu 30 % Kapital-
einkommen konstant. 2015 betrug die weltweite Lohnquote nur noch 58 %.
Dies hat zu einer Schwächung der Angebotsposition der Arbeitnehmer geführt.
In den vergangenen 15 Jahren war das durchschnittliche Einkommen US-ameri-
kanischer Haushalte negativ. Inflationsbereinigt verdienen US-Privathaushalte
in der Mitte der Einkommensverteilungskurve heute weniger als 1998 (unter
Berücksichtigung von Veränderungen der Haushaltsgröße). Auch das Beschäf-
tigungswachstum in der Privatwirtschaft hat nachgelassen.
Der gesamtwirtschaftliche Reichtum im Sinne des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
und der Produktivität setzt den Trend fort: Typische Arbeitnehmer müssen sich
auf eine Reduktion des Einkommens und schlechtere Karriereaussichten einstel-
len. Dieser Trend gilt auch für Deutschland, Schweden und Finnland. Wachstum
wird es nur ganz oben geben, die Mittelschicht wird weiter schrumpfen.
3. Produktivität sinkt
Schon lange ist bekannt, dass trotz Digitalisierung der Produktivitätsfortschritt
in den Industrieländern abnimmt. Nach einer Studie des McKinsey Global Insti-
tute vollzog sich die Entwicklung der Produktivität in den Industrieländern in
Wellen: In den 1990er Jahren kurbelten der Einsatz von Computern und die Aus-
lagerung der Produktion in Länder mit geringeren Lohnstückkosten die Produk-
tivität im weltweiten Durchschnitt an. Dieser Effekt flachte jedoch bis 2005 ab.
In Deutschland blieb die Produktivität zwischen Anfang der 1990er und 2005
relativ stabil. Durch die überdurchschnittliche globale Vernetzung der Produk-
tion und die geringere Bedeutung der Technologiebranche kam es in den ersten
Jahren des neuen Jahrtausends in Deutschland nur zu einem Rückgang der
Produktivität um jährlich 0,2 Prozentpunkte. Global waren es 0,8 Prozentpunkte
Rückgang pro Jahr. Nach der Finanzkrise wurden Investitionen in Produktions-
güter massiv zurückgefahren. Global sank das Produktivitätswachstum um wei-
tere 0,9 Prozentpunkte. In Deutschland machte diese Entwicklung überdurch-
schnittliche 1,2 Prozentpunkte aus.
Statistisch lässt sich die Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität in zwei Kom-
ponenten zerlegen: Zum einen wirken sich Veränderungen beim eingesetzten
Kapital pro Arbeitsstunde aus. Zum anderen spielt die sogenannte totale Faktor-
produktivität eine Rolle, eine Restgröße, die üblicherweise mit Innovationen und
technischem Wandel in Verbindung gebracht wird. Studien zeigen, dass sich in
allen G7-Staaten das Wachstum der totalen Faktorproduktivität erheblich abge-
schwächt hat. Von den Produktivitätssprüngen, die manche Experten aufgrund
der zunehmenden Digitalisierung erwarten, ist also bislang in den Daten nichts
zu sehen.
Nach einer Analyse des US-Ökonomen Robert Gordon hatte die sogenannte
zweite industrielle Revolution mit dem Siegeszug von Elektrizität und Verbren-
nungsmotor ab Ende des 19. Jahrhunderts die größten ökonomische Auswirkun-
gen. Die dritte industrielle Revolution mit der Einführung von Computern und
Robotern habe ebenfalls zu erheblichen Fortschritten geführt, aber aktuell kaum
noch zusätzliches Potenzial. Die vierte industrielle Revolution hält Robert Gordon
für überschätzt. Die zunehmende Vernetzung z.B. durch selbstfahrende Autos
hätten vergleichsweise geringe ökonomische Bedeutung. Die Entwicklung sei
eher evolutionär als revolutionär und zudem eng auf Digitalisierung beschränkt.
Dramatische Produktivitätseffekte seien daher nicht mehr zu erwarten.
4. Marktbeherrscher
90 Prozent der heutigen Digitalwirtschaft werden von zwei Ländern beherrscht.
Etwa 70 Prozent entfallen auf die USA und 20 Prozent auf China. Diese Konzen-
tration bezieht sich sowohl generell auf die Digitalwirtschaft als auch im Beson-
deren auf die größten Unternehmen. Von den sieben Plattformen Microsoft,
Apple, Amazon, Google und Facebook sowie Tencent und Alibaba, auf die zwei
Drittel der Marktanteile in der Digitalwirtschaft entfallen, befinden sich fünf in
den USA und zwei in China. Von 2017 auf 2018 hat der Anteil der US-Unternehmen
am Weltmarkt sogar noch zugenommen.
Die weitere Entwicklung dieser Markte und Plattformen liegt ausschließlich bei
diesen Konzernen. Sie verfügen über die Macht der proprietären Märkte und
Plattformen sowie über die Zugangskontrolle zu diesen Märkten, einschließlich
der Kontrolle der User und der Inhalte. Die Technologiegiganten aus den USA
bestimmen das Tempo der digitalen Revolution ohne Rücksicht auf die Auswir-
kungen auf Menschen und Ökosysteme.
5. Gig-Economy ersetzt Mittelstand
Mit ihrer Plattformenstrategie kommen die typischen Acht-Stunden-Jobs des
Industriezeitalters und damit die klassische Mittelschicht immer mehr unter Druck.
Plattformen wie Google, Airbnb, Uber, Foodora, Deliveroo und andere haben
das Plattform-Prinzip längst aus den Grenzen der Onlinewelt in die Realwelt
übertragen und gestalten die Welt im Ganzen um. Sie schaffen unklare Erwerbs-
formen, die sich oft in der rechtlichen Grauzone zwischen Selbständigkeit und
Angestelltenverhältnis bewegen. Zahlreiche Anbieter wie der Taxidienst Uber
wehren sich dagegen, als Arbeitgeber angesehen zu werden. Denn wenn sie
als reine Vermittler agieren, die Kunden und Dienstleister lediglich zusammen-
bringen, müssen sie keine Sozialabgaben zahlen.
Die „Gig-Economy“, in der Arbeitsleistung je Auftrag (Gig) bezahlt werden,
wird über diese Plattformen zunehmen. Die Gig-Arbeiter haben in der Regel
keine soziale Absicherung und müssen für Verdienstausfälle im Krankheitsfall
oder wie bei der Covid-19-Pandemie selbst aufkommen. Das betrifft selbststän-
dig arbeitende Taxifahrer und Lieferanten genauso wie die Gruppe der „White
Collar“-Freelancer: Designer, Software-Entwickler oder Produktspezialisten.
Grundlagen zur
Digitalisierung
Bild: In Lagern wird der Betrieb mit
Industrierobotern automatisiert
1991
2000
2010
2020
Abbildung: Bruttoinlandsprodukt (BIP) in
Deutschland bis 2020
Im Jahr 2020 betrug das Bruttoinlandsprodukt
Deutschlands rund 3,33 Billionen Euro. Somit
ging das deutsche Bruttoinlandsprodukt
gegenüber dem Vorjahr preisbereinigt um 4,9
Prozent zurück. Grund für den starken
Einbruch 2020 sind die Auswirkungen der
Corona-Krise und der damit einhergehende
Shutdown der Wirtschaft.
Veröffentlicht von Statista Research
Department, 24.02.2021
1992
1999
2009
2019
Abbildung: Veränderung der Produktivität je
Erwerbstätigen in Deutschland bis 2019
Die Statistik zeigt die Veränderung der
Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen in
Deutschland in den Jahren von 1992 bis 2019
im Vergleich zum Vorjahr. Im Jahr 2019 sank
die Produktivität je Erwerbstätigen im
Vergleich zum Vorjahr um 0,34 Prozent. Die
Arbeitsproduktivität wird berechnet als
preisbereinigtes Bruttoinlandsprodukt (der
Gesamtwirtschaft) bzw. preisbereinigte
Bruttowertschöpfung (eines
Wirtschaftsbereichs) je erwerbstätige Person
oder je geleistete Erwerbstätigenstunde.
Quelle: Statista. Veröffentlicht von J.
Rudnicka, 10.09.2020
Bild: Der 2014 vorgestellte fahrerlose Kleinbus
EZ10 wird bei Ligier gefertigt und war bis
September 2018 bei über 210 Projekten
beteiligt, wobei 250.000 km zurückgelegt
wurden und 320.000 Passagiere befördert
wurden, u. a. waren in Paris zwei Busse
zwischen Januar und April 2017 in
Partnerschaft mit der städtischen
Verkehrsgesellschaft RATP im
experimentellen Passagiereinsatz zwischen
der Gare de Lyon und der Gare d'Austerlitz. In
Bad Birnbach fand der Kleinbus auf einer 660
Meter langen Strecke seit Oktober 2017
deutschlandweit seinen ersten Einsatz
zwischen Marktplatz und Thermalbad. Er fährt
in Monheim am Rhein seit Februar 2020
zwischen Busbahnhof und Altstadt.
Quelle: Easymile, Wikipedia
10%
90%
50%
50%
25%
75%
<25%
> 75%
Abbildung: Die Geographie der digitalen
Wirtschaft ist stark auf zwei Länder
konzentriert. Quelle: Digital Economy Report
2019, United Nations
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