Kommunikation
Neuartige Kommunikationswege verstärken Eindimensionalität, Loyalitätsverlust
sowie fehlenden tiefen kommunikativen Austausch und steigern das Suchtverhalten.
Empfehlen:
Social Media kann süchtig und krank machen
Das Wichtigste in Kürze
Digitalisierung bedeutet in der Kommunikation:
•
Ständige Verfügbarkeit („Always-on“)
•
Konformitätsdruck durch den Wunsch nach Teilhabe und Gruppenakzeptanz in den
„Sozialen Medien“
•
Selbstverklärung durch idealisierte Profildarstellung
•
Ersetzung von realen Freundschaften durch digitale „Freundschaften“
•
Nachteile der digitalen „Freundschaften“ zeigen sich erst später (Eindimensionalität,
Loyalitätsverlust, keine reale Präsenz, kein tieferer kommunikativer Austausch)
•
Verlust aller sensorischen Qualitäten (Mimik, Gestik, Augenkontakt)
•
Umprogrammierung von Kommunikationsbedürfnissen zu Suchtverhalten seitens der
Silicon-Valley-Industrie (z.B. durch Produktdesign und Data Mining)
1. Always On
Heute ist man jederzeit erreichbar, „always on“, und kann ortsunabhängig,
günstig und schnell überallhin kommunizieren. Durch die digitale Kommuni-
kation wird der Kommunikationsradius erheblich erweitert und erlaubt die
Etablierung lokaler oder globaler Communities, Interessengemeinschaften
oder privater Informationsnetzwerke mit relativ geringem Aufwand. Internet
und Mobiltelefonie werden mittlerweile als Bestandteil der Grundbedürfnisse
definiert. Diese neue Form der Kommunikation hat eher einen unverbindlichen,
anonymen Charakter. Sie lässt keine Verbindlichkeit oder Beziehungsnähe und
persönliche Wärme zu.
Insbesondere soziale Netzwerke haben einen enormen Einfluss auf das soziale
Verhalten. Junge Menschen haben oft Hunderte digitaler Freunde in ihren
Listen. Alle sind miteinander verknüpft und versuchen, so viele Informationen
wie möglich mit der Community zu teilen. Dabei geht es den jungen Menschen
darum, ein Teil des großen Ganzen zu sein. Der daraus entstehende Druck, dazu-
zugehören bzw. Zugehörigkeit zu erlangen, führt zur einer großen Belastung,
weil man sich als individuell einzigartig darstellen muss, um aus der Masse her-
auszustechen und zu glänzen.
Die Zahl der „echten Vertrauten“ in der Realwelt hat bei allen Menschen jedoch
stark abgenommen. Echte Freundschaft bedeutet eine „exklusive Beziehung“
mit Verstand und Verantwortung. Freunde unterstützen sich, sind loyal und ver-
lässlich. Freundschaften fördern die positiven Eigenschaften und die Entwick-
lung der Identität und Persönlichkeit. Mit Freunden verbringt man Zeit zusam-
men und hat gemeinsame Erlebnisse. Mit Freundschaften werden auch Ver-
pflichtungen eingegangen und es gibt zahlreiche Rituale, die Freunde mit-
einander verbinden.
2. Virtuelle Wünsche, reale
Enttäuschung
Nutzer von sozialen Communities haben einen Wunsch nach Teilhabe. Dabei
geht es aber weniger darum, sich authentisch darzustellen und echte Freund-
schaften zu knüpfen. Das Ziel ist, sich selbst so darzustellen, dass man einer
größtmöglichen Gruppe an Leuten gefällt und Aufmerksamkeit bekommt.
Der permanente Zugang zu den sozialen Netzwerken führt zu einer Spirale mit
erheblichen Gefahren. Die freundschaftlichen oder familiären Gemeinschaften
in der Realwelt leiden in vielen Fällen unter den Folgen der Internetnutzung.
Zwischenmenschliche Beziehungen gehen verloren. Dies zeigt sich auch an dem
starken Anstieg von psychischen Krankheiten, insbesondere bei Depressionen.
Digitale Kommunikation kann keine persönliche Kommunikation ersetzen. Ihr
fehlen diverse sensorische Kanäle. Natürliche Kommunikation läuft sowohl ver-
bal als auch nicht-verbal ab. Mimik, Körperhaltung, Geruch, Gestik, Sprachmelo-
die, Augenkontakt sind Informationsquellen, die bei der Kommunikation eine
Rolle spielen.
Der Mensch als soziales Wesen nimmt die digitalen Möglichkeiten zunächst posi-
tiv wahr. Die ständige Nutzung dazu führt, dass Gehirnfunktionen verkümmern,
wenn sie eine gewisse Zeit nicht zur Anwendung kommen, weil Nervenzellen
absterben und nachwachsende Zellen nicht überleben, weil sie nicht benutzt
werden. Das Prinzip ist vergleichbar mit einem nicht benutzten Muskel.
3. Auswirkungen digitaler
Plattformen
Der ehemalige Google-Entwickler Tristan Harris warnt vor den Auswirkungen
digitaler Plattformen. Tristan Harris gilt als „Gewissen des Silicon Valley“. Zu
seinen Kommilitonen gehörten die späteren Instagram-Gründer Kevin Systrom
und Mike Krieger. Auch Harris gründete ein Start-up namens Apture, das 2011
von Google gekauft wurde. Er arbeitete dann für den Suchmaschinenkonzern
und sorgte dort zwei Jahre später intern mit einer sehr sehenswerten Präsen-
tation für Wirbel.
Darin zeigte er, dass die Google-Entwickler dazu beitragen, wie immer mehr
Menschen ständig abgelenkt würden. Er zeigt, wie die Benachrichtigungsfunk-
tionen und Designelemente bestimmte menschliche Schwächen ausnutzen und
zu impulsiven Handlungen animieren.
Tristan Harris ist ein wichtiger Akteur in dem Dokumentarfilm The Social
Dilemma. Die bei Netflix ausgestrahlte Dokumentation gibt Einblicke in den
enormen Einfluss, den soziale Netzwerke auf das Leben und Denken der Men-
schen von heute ausüben. Dabei enthüllen Insider des Silicon Valley, wie soziale
Medien die Gesellschaft umprogrammieren. Behandelt werden unter anderem
Themen wie das Produktdesign zur Erhöhung des Suchtpotentials, Data Mining
(computergestützte Methoden, um in Datenbeständen Muster zu finden), die
Auswirkungen von sozialen Medien auf die psychische Gesundheit mit besonde-
rem Blick auf die steigenden Selbstmordraten bei Teenagern sowie die Rolle von
sozialen Medien bei der Verbreitung von Falschnachrichten (Fake News).
Neben den Wissenschaftler/-innen Shoshana Zuboff (Professorin der Harvard
Business School), Cynthia Wong (ehemalige Internetwissenschaftlerin bei
Human Rights Watch), Anna Lembke (medizinische Leitung der Stanford School
of Medicine), Renée DiResta (Wissenschaftlerin im Stanford Internet Observa-
tory) wurden auch Interviews mit dem früheren Chef von Pinterest sowie mit
dem Like-Button Entwickler bei Facebook, Mitarbeitern von Twitter und Soft-
wareentwickler von Google geführt.
Die Digitalisierung eröffnet zahlreiche neue Möglichkeiten der Interaktion
zwischen den Menschen weltweit. Freundschaften, zwischenmenschliche und
familiäre Orientierungspunkte, die bisher einen verlässlichen Rahmen bildeten,
gehen für viele Menschen im globalisierten und digitalisierten Alltag verloren.
Dieser Verlust wird mit Social Media als Ersatz gefüllt.
Früher hat man sich angerufen und verabredet. Das persönliche Gespräch, das
reale Treffen bildeten die Grundlagen zwischenmenschlicher Kommunikation.
Inzwischen gibt es neben diesen Möglichkeiten noch diverse digitale Kommuni-
kationswege wie SMS/MMS, E-Mail, Instant-Messaging, Videoanrufe, Videokon-
ferenzen, soziale Netze und Ähnliches.
Tristan Harris ist ein amerikanischer Ethiker,
Informatiker und Geschäftsmann und leitet
heute das Center for Humane Technology.
Er erhielt seinen Abschluss in Stanford, wo
er Ethik der menschlichen Überzeugung
studierte.
Bild: Tristan Harris bei der Kollision 2018 im
Ernest N. Morial Convention Center in New
Orleans. Foto von Stephen McCarthy /
Collision über Sportsfile. - CC BY 2.0
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Digitalisierung
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54,3%
68,5%
59,9%
54,4%
77,9%
63,1%
78,9%
76,5%
62,9%
61,7%
77,6%
Smartphone-Nutzer
911,924,000
439,424,000
270,001,000
160,232,000
109,339,000
99,934,000
75,772,000
70,139,000
65,236,000
61,374,000
53,583,000
53,295,000
52,812,000
52,062,000
50,656,000
45,920,000
41,306,000
40,593,000
39,197,000
37,879,000
782,848,000
374,893,000
251,688,000
Unter den Top 15 Ländern, basierend auf der
Smartphone-Nutzerpopulation, haben die
europäischen Länder - Vereinigtes Königreich
(78,9%), Deutschland (78,9%), Frankreich
(77,6%) und Italien (75,9%) - den höchsten
Anteil an Smartphone-Nutzern in Bezug auf
ihre Populationen.
Quelle: 2020 Top-Länder von Smartphone-
Nutzern, newzoo.com
China hat mit 911 Millionen Nutzern die
größte Smartphone-Nutzerbevölkerung.
Indien belegt mit 439 Millionen Smartphone-
Nutzern den zweiten Platz, während die USA
mit 270 Millionen Smartphone-Nutzern (fast
82% der Bevölkerung) den dritten Platz
belegen.
Quellen: 2020 Top-Länder von Smartphone-
Nutzern, newzoo.com, RList