Ethische, rechtliche und soziale
Implikationen
Regeln für eine nachhaltige Nutzung der Biotechnologie
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Die Chancen für eine nachhaltige, sich an dem objektiven Nutzen für Menschen
und dem Ökosystem orientierende Biotechnologie hängen von rechtlichen
Rahmenbedingungen ab. Die von der Industrie vorangetriebene „Zwillings-
revolution“ in der Informations- und Biotechnologie entzieht sich derzeit der
Kontrolle liberal-demokratischer Systeme.
Wir haben erlebt, dass das Wirtschaftswachstum als traditionelles Lösungs-
instrument für soziale und politische Probleme durch „stätiges Wachstum“
zur allgemeinen Bedürfnisbefriedigung zur Ursache der Klimakrise und zur
Spaltung der Gesellschaft geführt haben. Die künftige politischen Program-
matik muss daher nun, eine neue Welt verändernder Systeme wie künstliche
Intelligenz, Big Data und Bioengineering in „ein neues sinnvolles Narrativ“
integrieren. Dabei muss der Nutzen für die Lebenssituation von Menschen
und der Erhalt und die Regenerierung des Ökosystems im Mittelpunkt stehen.
Wenn wir die Biotechnologie und die Künstliche Intelligenz weise regulieren,
können die Vorteile für die Menschheit unermesslich sein. Sollten wir die
Entscheidungen der Industrie überlassen, könnte dies zum Untergang der
Menschheit führen. Die Chancen und Bedrohungen sind sehr vielseitig. Die
fortlaufende Vereinigung von Bio- und Informationstechnologie kann dazu
führen, dass Regierungen und Unternehmen mit Hilfe biometrischer Sensoren
den Verstand und die Gefühle der Menschen direkt überwachen können. Ohne
Regulierungen können zukünftig biotechnologische Innovationen eine neue
Spezies entstehen lassen und den Homo sapiens einem neuen Totalitarismus
unterwerfen.
Die Grüne Biotechnologie kann mit der Freisetzung von Gentechnik zu irrepa-
rablen Eingriffen in natürliche Ökosysteme führen und sich zu einer wahren
Hydra entwickeln. Der Raubbau der Saatgut-Hersteller führt nicht zu einer
Antwort auf die Frage nach der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung.
Zukünftige globale Herausforderungen zu lösen ist nicht die Aufgabe profito-
rientierter Industrieunternehmen. Für eine nachhaltige Regulierung braucht
es vor allem von der Industrie unabhängige und gebildete Politiker, politische
Stabilität und ein internationales Konzept das folgende Parameter in den
Mittelpunkt stellt:
1.
Einen klar definierten Handlungsspielraum für die Biotechnologie mit
internationalen Regeln für die Begrenzung des Machbaren. Diese Regeln
müssen sich an dem objektiven Nutzen für Menschen und dem Ökosystem
orientieren und müssen den Einsatz von Biosensoren, Implantaten sowie
Schnittstellen zwischen Menschen und Maschine regeln. Als Beispiel für
den Bereich Medizin kann die Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes
(WMA) über »Ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am
Menschen« dienen.
2.
Regeln für verantwortungsvolle Biotechnologie
Die Staaten der Europäischen Union müssen einen Vertrag auf der Basis
von EU Recht und einen internationalen Vertrag mit dem Vereinigten
Königreich über verantwortungsvolle Forschung und den Einsatz von
Biotechnologie und Biosicherheit mit folgenden Regeln vereinbaren:
A. Die Staaten müssen sicherstellen, dass Personen, die an biosicherheits-
relevanter Forschung beteiligt sind, die Kompetenz zur Identifizierung
des Dual-Use-Potenzials ihrer Forschung erwerben.
B. Die Staaten müssen sicherstellen, dass bei der Finanzierung, Planung
und Durchführung biotechnologischer Forschung folgende Verpflich-
tungen für alle relevanten Akteure wie Forschende, Forschungsförderer,
Biotechnologieunternehmen, Gutachter und Redakteure gelten. Das
gleiche gilt für Forschungskooperationen:
a) die Ziele, Vorteile, Nachteile und Risiken der geplanten Forschung
müssen umfangreich und durch wissenschaftliche Gutachten
dargelegt werden. Dies ist die Basis für eine Genehmigung der
Maßnahmen.
b) Forschende, Forschungsförderer und relevante Unternehmen
müssen evaluieren, ob ein Forschungsprogramm in die als beson-
ders missbrauchsanfällige und besorgniserregende Forschung der
»Gain-of-Function Studies of Concern« (GOFsoc) oder »Dual Use
Research of Concern« (DURC) fällt; die Ergebnisse dieser Bewer-
tungen sind zu dokumentieren und müssen in das Genehmigungs-
verfahren einfließen.
c) Forschungsprogramme müssen daraufhin geprüft werden, dass
beurteilt werden kann, ob die Forschungszwecke und der Nutzen
auch durch weniger risikoreiche Forschungsprogramme erreicht
werden können.
d) Forschungsprogramme müssen daraufhin geprüft werden, ob
die Vorteile ausreichen, um die damit verbundenen Risiken und
Nachteile zu rechtfertigen. Hier ist es besonders wichtig zu prüfen,
ob ein Forschungsprogramm ein unverhältnismäßig hohes Risiko
für geschützte Rechte und Werte, wie das Leben und die Gesund-
heit von Menschen und der Umwelt, beinhaltet. Ergibt die Bewer-
tung, dass ein Risiko besteht, darf das Forschungsprogramm nicht
finanziert werden und es darf nicht durchgeführt werden.
e) Im Falle eines Forschungsprogramms, bei dem die Virulenz
eines Mikroorganismus hinsichtlich seiner pathogenen Wirkungen
für Menschen oder Tiere in solchem Umfang erhöht wird, dass
seine Verbreitung außerhalb des Labors eine Pandemie unter
Menschen oder Tieren hervorruft oder wenn mit einer solchen
Erhöhung zu rechnen ist (GOFsoc), gilt grundsätzlich das Risiko
gegenüber dem möglichen Nutzen überwiegt. Solche Forschungs-
programme dürfen nicht finanziert und nicht durchgeführt werden.
C. DURC und GOFsoc müssen in einem globalen (oder mehreren suprana-
tionalen / nationalen) Open-Access-Registern aufgeführt werden, um
die Transparenz der Forschung und offene Kommunikation zu gewähr-
leisten.
a) Die Ergebnisse biosicherheitsrelevanter Forschung müssen grund-
sätzlich veröffentlicht werden. Eine Behördliche interdisziplinäre
Kommission muss bewerten, ob im Einzelfall Missbrauchsrisiken
es rechtfertigen, dass Forschungsergebnisse nicht vollständig zu
veröffentlichen sind.
D. Bei einer neu einzurichtenden, interdisziplinären behördlichen Einrich-
tung, die aus Wissenschaftlern und Politikern besetzt ist, müssen alle
Biotechnologischen Forschungsprojekte und insbesondere DURC und
GOFsoc Forschungen angezeigt und genehmigt werden. Forschende,
Forschungsförderer und Biotechnologieunternehmen sind somit ver-
pflichtet, alle Forschungen anzuzeigen und genehmigen zu lassen
bevor diese durchgeführt oder finanziert werden.
E. Öffentliche und private Fördereinrichtungen und Unternehmen in den
Staaten, die auf dem Gebiet der Biotechnologie tätig sind, müssen
sicherstellen, dass DURC- und GOFsoc-Projekte nur dann gefördert
werden, wenn
a) das Projekt angezeigt und genehmigt wurde, den Regelungen in
diesem Vertrag nachkommt, und
b) die Forschung im globalen, (supranationalen / nationalen) Open-
Access-Register aufgeführt ist.
F. Die Staaten erstellen spezifischere Definitionen der DURC oder GOFsoc
Bestandteile des Vertrags. Diese Definitionen umfassen konkrete Expe-
rimente und listet dabei die genauen Regeln, die es ermöglichen,
zwischen sinnvollen und unangemessenen Risiken zu unterscheiden.
Diese müssen in einem neuen internationalen Vertrag für verantwor-
tungsvolle Biotechnologie und Biosicherheit festgelegt werden.
G. So kann ein biotechnologisches Governance-Regime in Übereinstim-
mung mit relevanten und moralisch gerechtfertigten Werten einer
humanen Weltordnung entwickelt werden, das darauf gerichtet ist,
auf verantwortungsvolle Weise uns vor den wissenschaftlichen und
technischen Gefahren der Biotechnologie und zusammenhängender
Digitalisierung zu schützen.
3. Politiker müssen die Chancen und Gefahren gemeinsam mit unabhängigen
Wissenschaftlern ohne Industrieeinfluss beurteilen. Politiker können keine
Entscheidungen von globaler Tragweite fällen, wenn sie dem derzeitigen
Lobbyismus weiter ausgesetzt sind und wenn sie keine fundierten Kennt-
nisse über Klimakrise, Atomenergie, Künstliche Intelligenz und Biotechno-
logie besitzen. Dazu bedarf es einer anderen Bildungsauswahl der Politiker
in Kernpositionen.
4. Es muss eine klare Grenze zwischen Politik und Industrie gezogen werden
und Politiker dürfen nach ihrer Amtszeit nicht die Seiten wechseln dürfen.
Dafür müssen sie eine entsprechende Absicherung bekommen.
5. Für die großen globalen Probleme wie Klimakrise, Atomenergie, Künstliche
Intelligenz und Biotechnologie brauchen wir eine effektive globale
Zusammenarbeit. Dies wird ohne ein stärkeres Vertrauen zwischen den
Nationen nicht möglich sein. Dazu müssen wir alte Denk- und Bedrohungs-
muster verändern und uns den echten Herausforderungen widmen. Letzt-
lich ist das auch die einzige Chance das Überleben der Menschheit zu sichern.
Wem nutzt es, wenn Europa die Entwicklung von Killerrobotern und künst-
lichen Menschen verbietet und Amerikaner, Chinesen oder Koreaner diese
dann bauen. Weder China noch Russland sind wirklich kriegerische Bedro-
hungen für Europa oder die Welt. Wenn man sich die Kriege der Vergangen-
heit ansieht, dienten diese den Energieressourcen. Neue Kriege werden
durch die Klimakrise entstehen. Um diese zu verhindern, gibt es keine
ernsthafte Alternative zur Zusammenarbeit der Weltgemeinschaft.
6. Jeder von uns muss sich daher stärker als verantwortlicher Teil der
Menschheit insgesamt empfinden. Dazu müssen wir in der nationalen und
der kommunalen Politik den globalen Problemen größeres Gewicht verlei-
hen. Bei der Wahl einer Regierung oder sogar eines Bürgermeisters müssen
wir auch die Einstellung dieser Politiker zu Fragen von globaler Bedeutung
hinterfragen.
7. Die Biotechnologie muss dazu genutzt werden, die Menschheit von Krank-
heiten und Gebrechen zu heilen und darf nicht dazu führen nur eine kleine
Elite biotechnisch aufzurüsten.
8. Die Biotechnologie kann helfen den Umgang mit Nutztieren zu verändern.
Die Biotechnologie darf nicht eingesetzt werden um Kühe, Schweine und
Hühner zu entwickeln, die schneller wachsen und mehr Fleisch produzieren.
Sie kann aber helfen künstliches Fleisch herzustellen, das in Laboratorien
aus Tierzellen gezüchtet wird. So kann sie helfen für ein Steak einfach ein
entsprechendes Stück Fleisch ohne Schadstoffe wachsen zu lassen, anstatt
eine Kuh mit Antibiotika und Wachstumsbeschleunigern aufzuziehen und zu
schlachten. Der erste derart erzeugte Hamburger wurde im Jahr 2013 produ-
ziert. Damals kostete das 330.000 Dollar, heute sind es nur noch 11 Dollar.
Innerhalb von kurzer Zeit wird ein künstlicher Hamburger wahrscheinlich
weniger kosten als ein "normales" Stück Hackfleisch. Mit der entsprechen-
den Forschung könnten wir in absehbarer Zeit künstliches Fleisch im indus-
triellen Maßstab produzieren. Was viel günstiger, ökologischer und ethisch
unbedenklicher ist.
9. Besorgniserregend sind die Investments des Militärs in Biotechnologien
und Arbeitsinitiativen, um die Prozesse der Natur zu nutzen, um die Kriegs-
kräfte besser zu unterstützen. Ein Beispiel für die Dual-Use-Forschung ist
das vom US-Verteidigungsministerium (Defense Advanced Research Pro-
jects Agency, DARPA) initiierte und geförderte Insect Allies Program. Das
Programm hat das Ziel, genetisch modifizierte Viren herzustellen, die Nutz-
pflanzen für Grundnahrungsmittel zu infizieren, indem Insekten diese Pflan-
zenviren verteilen und in die Pflanzen einbringen. Dieses Programm ist
besorgniserregend, weil eine bloße Vereinfachung der hier erforschten
Biotechnologie eine biologische Waffe erzeugen kann.
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Quellen
Ethikkommission der Fakultät für Medizin der Technischen Universität
München, „Ethische Grundsätze für die medizinische Forschung am Menschen“
Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie, „Dual Use Research of Concern“
VBIO Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin in Deutschland,
„Dual Use“
Bulletin of the Atomic Scientists, „New pathogen research rules: Gain of
function, loss of clarity“
National Center for Biotechnology Information, U.S. National Library of
Medicine , „Gain-of-Function Research: Ethical Analysis“
Deutschland und die Welt 2030, „Biotechnologie und der rechtliche ÂRahmen der
künftigen Weltgesellschaft“
Transparenz Gentechnik, „Echtes Fleisch aus dem Labor - Durchbruch dank
Synthetischer Biotechnologie“
DARPA, „Insect Allies“
National Defense Industrial Association, „Military to Leverage New Biotech
Fields to Gain an Edge“
Handlungsempfehlungen
zur Biotechnologie
»Dual Use Research of Concern« (DURC)
Ergebnisse der biowissenschaftlichen
Forschung können zum Nutzen der Menschen,
der Gesellschaft oder der Umwelt verwendet
werden. Einige Ergebnisse bergen aber auch
das Potential, des Missbrauchs und können
bewusst Schäden herbeiführen. Unternehmen
oder Menschen können von beiden
Möglichkeiten profitieren. Vor dieser
„Zweifachen Nutzung“ (Dual Use) sind selbst
Ergebnisse der Grundlagenforschung nicht
vollständig gefeit.
»Gain-of-Function Studies of Concern« (GOFsoc)
Die Gain-of-Function (GOF)-Forschung beinhaltet
Experimente, die darauf abzielen oder von denen
erwartet wird (und/oder die vielleicht tatsächlich
stattfinden), die Übertragbarkeit und/oder Viru-
lenz von Krankheitserregern zu erhöhen. Solche
Forschungen zielen in der Regel darauf ab, das
Verständnis von Krankheitserregern, ihrer Inte-
raktion mit menschlichen Wirten und/oder ihres
Potenzials, Pandemien zu verursachen, zu unter-
suchen. Das Ziel solcher Forschung ist es, die
öffentliche Gesundheit und die Bereitschafts-
maßnahmen und/oder die Entwicklung medizi-
nischer Gegenmaßnahmen besser zu verstehen.
Trotz möglicher potenzieller Vorteile birgt die
GOF-Forschung unberechenbare Risiken in
Bezug auf die Biosicherheit durch Laborunfälle
und Irrtümer (Biosafety) und durch Missbrauch
der Technik und Forschung (Biosecurity).
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Unternehmen wird beschuldigt, Lebensmittel
unsicher verändert zu haben. 25. Mai 2013 in
Orlando, Florida.
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